Unser Plan für die nächsten drei Wochen in Japan sah so aus: mit dem Mietauto und unserm Zelt über und durchs Land so weit nach Norden reisen wie es geht, um dann drei Wochen später im Süden die Fähre nach Südkorea zu nehmen. Im Internet riet man uns nicht dazu: die Zuganbindungen seien super und mit dem speziellen Japan-Railwayticket auch erschwinglich, die Kosten für einen Mietwagen plus Maut dagegen enorm, Adressen unauffindbar, unangemeldet in Guesthouses nicht so gern gesehen und die Geschwindigkeitsbegrenzungen zum Blumen pflücken, eine Karte mit Campingplätzen auf Englisch nicht existent, außerdem sei im Norden noch tiefster Winter…
Ja, manches war so, anderes auch, manches nicht, alles in allem: Camping und Mietauto waren unschlagbar, Besuche in japanischen Royokan-Onsen auch.
Nun gut, es ging mit dem Auto wirklich langsam voran, muss man sagen, vor allem im nicht endenden Ballungszentrum Tokio. Für unsere erste Strecke von knapp 200km aus dem Zentrum heraus veranschlagte das Navi 7 Stunden – was wir zunächst belächelten, aber mit den nicht endenden Ampeln kam das hin. Wir hätten auch die Autobahn nehmen könne, aber das kann ja jeder. Später fuhren wir dann mit gemütlichen 40-50km/h (das Land ist so zersiedelt, dass fast überall „innerorts“ ist), auf Landstrassen 60km/h und auf Autobahnen 80km/h. Für die Autobahnbenutzung fälllt jedoch Maut an, da blieben wir lieber auf den Landstraßen, sieht man ja auch mehr …
Die nicht zu unterschätzende tolle Nachricht: das Navi funktionierte mit Telefonnummern, d.h. man brauchte nur die Telefonnummer seiner Zieladresse einzugeben und schon führte es einen punktgenau hin. Das war Gold wert und unsere Freude im Cockpit groß, denn bei einer japanischen Adresse herauszufinden, was Straße, was Viertel und Stadt ist, ist für alle, die der Sprache nicht mächtig sind: unmöglich. Behaupten wir jetzt mal. Zwar war die Bedienung auf japanisch, aber gemeinsam besitzen wir bis dahin ungeahnte Universaltranslatorfähigkeiten. Wir konnten das Navi in seinen Grundfunktionen bedienen. Die nette japanische Stimme ließen wir meist an.
Am Strand war samstagmorgens viel los, alles war auf den Beinen um Köstlichkeiten für das Mittagessen aus dem Sand zu ziehen. Wir waren (fast) surfen.
Unser erstes Ziel war Oarai bei Mito, eine zu der Zeit eher verschlossene Stadt am immer spektakulären Meer. Hier verbrachten wir nach über 4 Monaten mal wieder eine Nacht im Zelt – als einzige Gäste im Pinienwald weit und breit. Das ist natürlich wunderbar. Einen Tod stirbt man aber immer, in der Nebensaison ist das meist der Kältetod. Als wir so eingemummelt im Zelt lagen, gab es dann aber noch einen Gutenachtgruß, der uns das Herz erwärmte – die Platzbeschallung ging an und ein Abendlied erklang. So war das, mit der ersten Nacht als Huckleberryfriends in Japan. Oder auch nicht. Es gibt zwei Versionen, aber das erzählen wir mal wann anders.
Am nächsten Morgen kauften wir mit frostigen Fingern die Flüssigkeit, nach der wir als Camper immer als erstes gieren: denatured alcohol, den Brennstoff für unseren Kocher. Nachdem wir im Drogeriemarkt nach sehr freundlicher Beratung am Vortag Desinfektionsmittel gekauft hatten und die Küche kalt blieb, war uns das Glück nun schon eher gewogen und wir fanden endlich ein Outdoorgeschäft. Zwar campen die Japaner gern, doch das es dafür auch richtig tolles Equipment gibt, hat sich erst in den letzten Jahren rumgesprochen. Als es später auf unserer Reise wärmer wurde und die „Goldene Woche“ da war (hier haben alle Japaner mal ein paar Tage frei), wussten wir, was der aufstrebende Outdoormarkt noch bedeutet. Es gab da eine Nacht, da wurde unsere herzliche deutsch-japanische Freundschaft auf eine sehr harte Probe gestellt. Aber dazu später mehr.
Die Pflaumenblüte ist neben der Kirschblüte ein echter Renner. Hier nicht zu sehen. Dafür Osterglocken an Ostern.
Wir besuchten in Mito einen Garten und machten uns dann weiter zu den japanischen Voralpen an den Lake Inawashiro, einen Vulkansee. Die Aussicht auf die schneebedeckte Skyline war spektakulär, wir kochten am Strand in der Sonne und sahen keine Menschenseele. Wir wussten nicht wirklich, ob campen hier erlaubt war, die Sanitäranlagen waren verwaist, die ausführlichen Hinweisschilder am Waldrand konnten wir nicht lesen. Vor dem einschlafen spielten wir zum aufwärmen noch ein paar Runden Tannenzapfen-Baseball und hofften, dass die Hinweise nichts mit Astbruch in sturmgefährdeten Wäldern zu tun hatten.
Weiter führte uns unsere Route im Landesinneren durch Fukushima-Stadt aussen entlang des vom Tsunami verwüsteten Gebietes nach Sendai. Ab Sendai empfahl uns die Touristikzentrale die Küstenstraße. Eigentlich hatten wir eine andere Route im Blick, aber man riet uns ausdrücklich dazu die Straße zu benutzen, sie sei wieder hergestellt, Verkehr willkommen.
Die Stadt Matushima in der Präfektur Miyagi blieb vom Tsunami erschont, die kleinen Inseln wirkten als natürliche Wellenbrecher. Eine landesweit bekannte Idylle.
An der Küste angekommen, fuhren wir an Warnschildern vorbei, die von einer Bucht zu nächsten den Aus- und Eintritt in die Tsunamigebiete kennzeichneten. Die Küstenorte und -städte mit ihren Häusern und Vierteln, die wir vorab auf dem Bildschirm des Navi sahen, gab es oft nicht mehr. Stattdessen planierte Leere, Baumaschienen, Männer in Warnwesten und hier und da wie ein Monument eine verformte Brücke ohne Sinn.
Es war einmal …
Am Ende dieses Tages erreichten wir das Tonotal, das in Japan aus Erzählungen bekannt ist, die unseren Grimmärchen ähneln. Wir wurden in unserem Guesthouse auf dem Land mit bester Hausmannskost bekocht und nahmen zum ersten mal ein typisches Bad, vom Hausherrn zuvor eingelassen und angeheizt. Auch hier zahlte sich der Blick in die Reiseliteratur aus: In der Wanne schrubbt man sich nicht, das macht man vorher auf kleinen Hockern sitzend, sondern man liegt einfach gemütlich in der Wanne rum, bis es einem zu heiß wird. Nicht an der Temperatur rumschrauben. Keinen Badezusatz oder sowas rein machen. Wasser drin lassen.
Auf einer Fahrradtour mit ziemlich eseligen Drahteseln besuchten wir ein historisches Dorf, in dem wir eine herzliche Begegnung mit einer alten Bewohnerin hatten, die uns zu einer Tasse Tee einlud – die Füße warm verpackt am Kohleofen. In unserem Guesthouse begegneten wir vier schweigsamen Arbeitern, die für den Wiederaufbau eingesetzt waren und einem einsamen Zugführer aus Tokio, mit dem wir vor dem zubettgehen ebenfalls eine Tee tranken.
Ansonsten muss man sagen, ist es im Sommer, mit etwas mehr Vegetation, wohl noch schöner.
Schneegrenze
Weiter ging es in die Berge, zum nördlichsten Punkt unserer Japanreise und zu unserem ersten richtigen Royokan, einem typisch japanischen Guesthouse. Streng genommen war es ein Royokan-Onsen, ein Guesthouse mit heißer Quelle zum Baden. Unseren Besuch hatten wir wie schon zuvor mit Hilfe der Touristikzentrale angemeldet. Touristikzentralen erwiesen sich auf unserer Japanreise als Glücksfälle. Nach 4 Monaten Südostasien bekam der Begriff Touristikzentrale auch wieder eine wirkliche Bedeutung. Es gab belastbares, lesbares Infomaterial, sie hatten eine 2-seitige Liste mit Campingplätzen für uns und haben uns bei den nicht unaufwendigen Reservierungen für die Royokanaufenthalte weitergeholfen.
Die Uhren in den Royokans gingen pünktlich und ruhig. Das wurde geschätzt. Wir hatten vorort meist eine feste, angenehm freundliche Ansprechpartnerin, die sich für unser Wohlbefinden verantwortlich gefühlt hat. Alles lag im Zimmer bereit, die verschiedenen Anziehsachen in der richtigen Größe, das heiße Wasser für den Tee.
Frühstück oder Abendessen? Frühstück in unserem Royokan-Onsen bei Nyuto. Das vegetarische Menü war ebenfalls mit Hilfe der freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeiter in der Touristikzentrale angemeldet und das erschien auch gut so.
Vor dem Abendessen nahmen wir ein Bad in einem Becken am Fluss, dunkles Holz , heißes weißblaue Wasser, Wald und Schnee. Wir waren die einzigen Ausländer und versuchten uns so gut zu schlagen wie es eben ging. Wir haben viel gelächelt. Im Bad und beim Dinner
Uns war zwar nicht immer ganz klar, was wir essen und vor allem wie wir es etwas essen sollten (was mit welcher Soße wie verquirlt in welchem Schälchen), aber es war köstlich und die Teller am Ende immer leer. Und die Beine eingeschlafen. Die anderen fünf Tische haben uns ermunternd zugelächelt – man vermutete uns auf Hochzeitsreise. Und wie schon zuvor und in Japan nicht unüblich, wurden wir von einem Gast einfach so beschenkt.
Wie schon in Kyoto war der Wohn/Schlafraum leer, bis auf einen kleinen Tisch und eine Wandnische mit Einbauschrank, in dem das Bettzeug lagert. In einem Royokan tragen Mann und Frau den ganzen Tag eine Art Bademantel (Yukata), wie Klaus eindrucksvoll zeigt, auch zum Abendessen (mit dazugehöriger Jacke), was aus so einem Aufenthalt eine ziemlich gemütliche Sache macht. Auch in einem Royokan ohne Onsen gibts spezielle Kleidung, aber dann eine Hose und ein Oberteil zum binden.
Nach unserer Abreise trafen wir den freundlichen Herrn zufällig auf dieser Blumenwiese wieder. Hier kann man über Stege durch den Wald wandeln, um die Blüten zu bewundern (und die perfekte zu fotografieren).
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